Volle Fahrt für Vielfalt
Der ÖAMTC ist nicht umsonst der Experte in Sachen „Weiterkommen“ … Vom Start weg ging es um Bewegung und Innovation. Die ersten Autos waren auf Österreichs Straßen unterwegs, als die Gründung des „Österreichischen Touring Clubs (ÖTC)“ erfolgte und kurz darauf Reparaturkästen für Fahrrad-Fahrer:innen im Wiener Prater und im Wienerwald aufgestellt wurden. Nach dem Zweiten Weltkrieg kam der ÖAMTC zu seinem „A“ – infolge der Fusion mit dem „Österreichischen Automobil-Club (ÖAC)“. Schon in den 50er Jahren zählte der Club 100.000 Mitglieder.
Stehenbleiben? Gibt es nicht, weder mit noch beim ÖAMTC. So hat sich der Verein nicht nur der Pannenhilfe und zahlreichen anderen Services verschrieben, sondern auch der kontinuierlichen Weiterentwicklung der umfangreichen Organisation.
Alle sind von Diversity betroffen
„Wir haben mehr als 2.400 Mitarbeiter*innen in Wien, Niederösterreich und dem Burgenland – und wir alle sind von Vielfalt betroffen“, geht Mag.a Nasila Berangy-Dadgar, Leitung Diversitätsmanagement und Personalservice beim ÖAMTC, im Gespräch mit DIVERSITYGuide gleich in medias res. „Ich werde immer wieder gefragt, warum uns Diversity wichtig ist und ich antworte immer mit einer Gegenfrage: Wie kann es sich ein Unternehmen heute noch leisten ohne Diversity-Management zu arbeiten? Wir alle haben ein Geschlecht, eine Herkunft, ein Alter, eine sexuelle Orientierung, eine Weltanschauung oder Religionszugehörigkeit … Es liegt also auf der Hand, dass sich größere Unternehmen mit Diversity Management auseinandersetzen müssten.“
Denn niemand von uns erfüllt nur eine Dimension von Diversität, sondern mehrere zugleich, die einander überschneiden und ergänzen. Berangy-Dadgar führt aus: „Eine Frau, die einen Rollstuhl nutzt, schwarz und queer ist, vereinigt ebenso verschiedene Dimensionen wie ein junger, heterosexueller Mann.“ Dieser übergreifende, intersektionelle Ansatz ist beim ÖAMTC die Basis des Themas Diversity sowie der Projekte in diesem Bereich. Die Diversity-Managerin: „Chancengleichheit bedeutet, auf die vielfältigen Bedürfnisse der Mitarbeiter:innen zu achten.
Guter Start mit inklusiver Sprache
Besonders schwierig ist oft der erste Schritt – uns allen aus vielen persönlichen Situationen des Alltags, besonders aber aus dem beruflichen Zusammenhang bekannt. Veränderungsprozesse sind schließlich selten einfach.
Beim ÖAMTC wurde bereits vor über zehn Jahren mit der Umsetzung von Diversity & Inklusion begonnen. Ein wichtiger Schritt in letzter Zeit war die Verankerung der inklusiven Sprache im Unternehmen. „Wir haben uns im Rahmen des Projekts „Inklusive Sprache“ damit auseinandergesetzt, ob und wie wir gendern wollen. Wir haben ein Team aus zehn Personen zusammengestellt, die aus unterschiedlichen Abteilungen kamen, um uns mit schriftlicher, mündlicher und Bild-Sprache zu befassen. Im ersten Meeting haben wir festgestellt, dass wir uns nicht auf das Gendern beschränken wollten, denn Sprache spielt darüber hinaus eine ganz wesentliche Rolle: Sie schafft Realität.“
Das Projekt-Team entschied sich für den Einsatz des Doppelpunkts beim Gendern – und setzte sich darüber hinaus mit Begriffen, Formulierungen und Sprichwörtern auseinander. Damit wurde über den Umweg der Sprache ein wichtiger Prozess angestoßen: das Nachdenken. Die Expertin betont: „Wie ich denke, handle ich und umgekehrt. Die Reflexion ist wesentlich, um stereotype Rollenbilder abzubauen.“
Auch durch Veranstaltungen und weitere Projekte sollte auf Diversity-Dimensionen und darauf, dass sich ein Mensch nicht durch eine einzige beschreiben lässt, hingewiesen werden. Nach Beendigung des Projekts „Inklusive Sprache“ wurden Boschafter:innen aus jeder Abteilung entsandt. Diese hatten einmal im Monat Jour-fix-Termine. „Bei diesen Treffen habe ich eine Weiterentwicklung gesehen und festgestellt, dass das allgemeine Bewusstsein für Diversity geschärft wird, sobald es Bewusstsein für eine der Diversitäts-Dimensionen gibt“, so Berangy-Dadgar. Außerdem hat sie ein Auge darauf, wie im Unternehmen kommuniziert wird, liest Intranet-Artikel in Hinblick auf die inklusive Formulierung und diskutiert mit den Botschafter*innen der Abteilungen, wo es Hürden gibt.
Projekt „Einstellungssache“ und WoMen’s Business Circle
So entstand aus dem Wunsch der Abteilungen, mehr Menschen mit Behinderungen an Bord zu haben, das Projekt „Einstellungssache“. Dieses zielt auf die Dimension der Behinderung ab – „aber wir achten darauf, dass unterschiedliche Dimensionen zum Tragen kommen. Und letztlich entscheidet natürlich auch die Qualifikation über die Einstellung der neuen Mitarbeiter*innen.“ Mittlerweile zeigen die Einstellungszahlen klar, dass die im Rahmen des Projektes gesetzten Maßnahmen greifen.
Vielschichtig ist auch die Entwicklung des internen „WoMen’s Business Circle“. Zunächst als Frauennetzwerk gegründet, zeigte sich nach etwa zwei Jahren eine gewisse Einseitigkeit, da die Frauen unter sich blieben. „Es wurden immer wieder interessante Aspekte aufgeworfen, von denen ich mir gewünscht habe, dass sie auch Männer hören.“ Entscheidend war dann die Home-office bzw. Home-schooling-Thematik in der Covid19-Zeit: „Es wäre für mich ein falsches Signal gewesen, diese Diskussion nur Frauen anzubieten,“ erklärt Berangy-Dadgar die Entwicklung des Business Circles zu einem Netzwerk für alle Geschlechter.
Die Diversity-Managerin hält es für essentiell, sich männliche Allies zu suchen. Im ÖAMTC sind aus Sicht der Expertin unter anderem drei Direktoren und der Leiter Personalmanagement „wunderbare Allies“. Womit wir wieder beim Thema sind: Das Wichtigste ist die Bewusstseins-Bildung. Denn: „Vieler Dinge sind sich (manche, nicht alle) Männer gar nicht bewusst, es ist ja nicht immer alles böse gemeint,“ betont Berangy-Dadgar. So haben Vorträge wie beispielsweise der Leiterin der IT das Nachdenken über stereotypisierte Rollenbilder angestoßen, aber auch Themen wie Leadership oder „Empowerment durch Körpersprache“ haben für Bewegung gesorgt.
Und wie sind die Reaktionen?
Das Feedback der Mitarbeiter:innen sowie der Mitglieder von Österreichs größtem Verein sind „durchwegs positiv, sie kennen das Thema ja aus der gesellschaftlichen Diskussion.“ Und wenn es doch einmal nicht so ankommt, wie es gemeint ist, dann sucht Berangy-Dadgar das Gespräch: „Manchmal wird das Thema missinterpretiert, es wird dann gesagt, das betrifft ja nur Frauen, Homosexuelle und Menschen, die hergezogen sind. Mein Argument ist dann, dass wir alle mehrere Dimensionen von Diversität in uns tragen – so geht man dann in die Auseinandersetzung mit sich selbst und damit kann man die Leute dann dort abholen, wo sie stehen.“
Gegenüber den Mitgliedern wird auf inklusive, wertschätzende Sprache Wert gelegt sowie auf neutrale Anrede. So gilt etwa die „Partnermitgliedschaft“ für Menschen, die im selben Haushalt leben – und die Formulierung zeigt, es spielt gar keine Rolle in welcher Form sie dies tun. Außerdem stehen Berater:innen für Mitglieder mit Mobilitätseinschränkungen zu Verfügung, es wird ein Gehörlosenservice angeboten und es gibt Fahrradkurse für Frauen aus der ganzen Welt. Nasila Berangy-Dadgar ist stolz darauf, dass der ÖAMTC mit diesen Kursen Frauen (und im Einzelfall bei Interesse auch Männer) empowered. „Viele Teilnehmerinnen wünschen sich seit ihrer Kindheit Fahrradfahren zu können, bei uns lernen sie es.“ Womit der ÖAMTC wieder zeigt: Bewegung liegt ihm am Herzen, und zwar für wirklich alle …