Anlaufstelle für Frauen und Mädchen zu Gesundheitsfragen
Geeignete Fachärzt:innen finden, eine medizinische Diagnose verstehen, Antworten auf Fragen rund um Sexualität und Verhütung bekommen oder das Ausfüllen von Pflegegeld-Anträgen sind nur einige der viele Stolpersteine, die vor allem für Frauen den Alltag schwierig machen. Zudem kommen oft noch sprachliche Barrieren dazu. Das FEM Med spricht deshalb in erster Linie Mädchen und Frauen an, die sich mit gesundheitlichen und medizinischen Fragen allein gelassen fühlen oder die passende Versorgung im niedergelassenen Bereich suchen.
Wir haben bei der Standortleiterin, Johanna Brandl, nachgefragt, wie die Bilanz nach einem Jahr FEM Med am Reumannplatz aussieht.
Wie hat sich das Gesundheitszentrum entwickelt?
Nach einem Jahr FEM Med können wir auf fast 5.000 Beratungsgespräche und mehr als 1.000 erreichte Personen zurückblicken, bei denen Frauen zu den verschiedensten Themen rund um ihre Gesundheit geholfen wurde.
Darüber hinaus wurden mehr als 700 Personen im Zuge der Vorsorgeuntersuchungen und Impfaktionen, durchgeführt von den Mobilen Gesundheitsdiensten der Stadt Wien, erreicht.
Mit unseren Kooperationspartner:innen (Hebammenzentrum, Kontaktbesuchsdienst der Wiener Sozialdienste und Frühe Hilfen), die im FEM Med Angebote setzen, sind wir im stetigen Austausch, um auf die Wünsche und Bedürfnisse unserer Klientinnen bestmöglich einzugehen.
Auch die Etablierung des Modellbezirks für Gendermedizin in Favoriten schreitet durch Sensibilisierungs- und Weiterbildungsinterventionen voran.
Was sind die Hauptanliegen der Frauen, die FEM Med aufsuchen?
Am häufigsten Anliegen sind allgemeine Gesundheitsthemen, wie zum Beispiel die Erklärung von Befunden und Diagnosen, Erklärungen zu Medikamenteneinnahmen, die Anbindung an Ärzt:innen, Ambulanzen oder Krankenhäuser, Informationen zu Vorsorgeuntersuchungen und Impfungen.
Aber auch konkrete gesundheitliche Probleme, zum Beispiel zu Diabetes, Adipositas oder Long Covid werden thematisiert.
Viele unserer Klientinnen bekommen auch Unterstützung bei Themen rund um Schwangerschaft und Geburt, oder zu sozialrechtlichen Ansprüchen von Arbeitsunfähigkeit über Pflegegeld bis hin zu Feststellung and Ansprüchen bei Behinderung.
Der Fokus liegt auf Gender-Medizin. Ist das etwas, das schon in den Köpfen ihrer Klient:innen bzw. allgemein in der Gesellschaft angekommen ist?
Mittlerweile wird das Thema Gendermedizin immer präsenter, was sehr erfreulich ist, jedoch braucht es sicher noch lange, bis es in der Praxis in allen Gesundheitsberufen und auch in den Köpfen aller Patient:innen angekommen ist. Wir haben noch einen langen Weg vor uns und es braucht noch viel Forschung in einer Vielzahl von Bereichen und auch die Offenheit und Akzeptanz, sich dem Thema zu öffnen.
Die ersten Schritte in diese Richtung sind gesetzt, jetzt muss dieser Weg ausgebaut werden. Darum setzen wir mit Informations- , Sensibilisierungs- und Fortbildungsveranstaltungen für die unterschiedlichsten Bevölkerungsgruppen, wie Mediziner:innen, Professionist:innen aus anderen Gesundheitsberufen, Multiplikator:innen aus dem Sozial- und Pädagogikbereich und Bewohner:innen des Bezirks Angebote, um das Thema weiter bekannter zu machen.
Sie wollen Frauen erreichen, die schlechten Zugang zu gesundheitsrelevanten Themen haben. Gelingt ihnen das bereits oder braucht das noch Zeit?
Ein großer Teil unserer Klient:innen wurde in einem anderen Land geboren, viele haben Fluchterfahrung oder sind sozioökonomisch benachteiligt. Gerade diese Zielgruppe ist besonders oft betroffen von psychischen und physischen Belastungen und findet aufgrund von beschränkten finanziellen Mitteln, Sprachbarrieren oder fehlenden Informationen nur schlecht den Weg in das österreichische Gesundheitssystem.
Die Evaluierung unserer Beratungsdaten zeigt, dass wir genau diese Personengruppe erreichen können. Auch unsere mit den Mobilen Gesundheitsdiensten der Stadt Wien monatlich stattfindende Vorsorgeuntersuchungswoche wird überwiegend von Personen genutzt, die zuvor von diesem Angebot noch nie gebraucht gemacht hat.
Es gibt auch eine wöchentliche Männersprechstunde. Inwieweit wird das Angebot nachgefragt?
Die Männersprechstunden am Montagnachmittag werden sehr gut angenommen. Man sieht, wie dringend notwendig und gefragt diese Art einer niederschwelligen, kostenfreien und mehrsprachigen Gesundheitsdrehscheibe ist.
Es handelt sich ja um ein Pilotprojekt, das bis Mitte 2026 läuft. Wissen Sie schon, wie bzw. ob es danach weitergeht?
Noch gibt es keine konkreten Ausrollungspläne, aber selbstverständlich würden wir gerne in mehreren Bezirken dieses Angebot der niederschwelligen Versorgung setzen – einerseits um die Bevölkerung bestmöglich zu unterstützen und im gesundheitlichen Kontext zuzuweisen und andererseits, um Ärzt:innen und Ambulanzen dadurch zu entlasten, Patient:innenwege zielgerichteter und besser informiert zu steuern.
Danke für das Gespräch!
Über FEM Med
FEM Med ist eine Beratungsstelle für Gesundheitsfragen mit medizinisch geschultem Personal, Sozialarbeiterinnen für sozialrechtliche Ansprüche im gesundheitlichen Kontext sowie Klinische Psychologinnen für Erstentlastungsgespräche.
Bei FEM Med arbeiten insgesamt 13 Beraterinnen, die 11 Sprachen beherrschen. Alle Angebote sind kostenlos und unabhängig vom Versicherungsstatus nutzbar; Clearinggespräche sind ohne Termin möglich. Zusätzlich zu den Beratungen vor Ort werden Informations- und Sensibilisierungsverantsaltungen zu Gesundheitsthemen, Sozialrechtlichen Themen und Gendermedizin abgehalten. Kooperationspartner ist der Mobile Gesundheitsdienst der Stadt Wien (MA15). Im FEM Med ist auch ein Hebammenzentrum integriert, wo Eltern-Kind-Pass-Gespräche mit einer Hebamme und Geburtsvorbereitungskurse in alternierenden Sprachen zu den Abläufen der Geburt angeboten werden. Zudem gibt es einen Kontaktbesuchsdienst der Wiener Sozialdienste mit regelmäßigen Sprechstunden für Frauen ab 60 Jahren.
Finanziert wird FEM Med aus Mitteln des Wiener Gesundheitsfonds. Träger ist das Institut für Frauen- und Männergesundheit. Dessen Angebot erstreckt sich über drei Gesundheitszentren an insgesamt sechs Standorten in Wien. Im FEM und FEM Süd finden Frauen, Eltern und Mädchen Unterstützung. Das MEN ist für Männer, Väter und Burschen da. Weitere Standorte sind die FEM Elternambulanz, eine Spezialambulanz für psychische Krisen rund um Schwangerschaft und Geburt, die Arbeitsassistenz für Frauen – FEM Süd Frauenassistenz sowie MEN VIA, die Opferschutzeinrichtung für Männer als Betroffene von Menschenhandel. 2023 kam das Frauengesundheitszentrum FEM Med dazu.