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Diversity Management

Die Politik ist gefordert

Angela Wroblewski, die sich am IHS (Institut für Höhere Studien) mit Bildungs- und Hochschulforschung mit Fokus auf Gender-Fragestellungen, Evaluation von Gleichstellungspolitiken im Bereich Wissenschaft, Bildung und Arbeitsmarktpolitik befasst, wirft den Ball den Bildungseinrichtungen bzw. der Politik zu und fordert fest verankerte Vorgaben in Sachen „Diversity, Equality & Inclusion“.
Text: Marion Breiter O’Donovan
© Carl Anders Nilsson
Angela Wroblewski, IHS: "Grundlegende Gender- und Diversity-Kompetenzen sollte man schon in der Schule und auf der Hochschule erwerben."

Das Thema Diversity, Equity & Inclusion hat aktuell besondere Bedeutung – wieso gerade jetzt, welche Entwicklungen haben aus Ihrer Sicht dazu geführt?

Ich denke, dass der aktuelle Hype stark auf den Arbeitskräftemangel zurückzuführen ist.

Der Arbeitskräftemangel bewirkt, dass sich Betriebe damit auseinandersetzen, was sie zu guten Arbeitgeber:innen macht. Mittlerweile „bewerben“ sich ja nicht mehr die Mitarbeiter:innen bei den Unternehmen sondern umgekehrt. „Feigenblatt“-Aktivitäten hat es im betrieblichen Kontext hinsichtlich „Diversity“ schon länger gegeben – aber das verändert sich jetzt: Es wird geschaut, was ist drinnen, wenn ein Unternehmen „Diversity“ draufschreibt. Grundlegende Gender- und Diversity-Kompetenzen wären jetzt in Wirtschaft und Gesellschaft notwendig – und damit meine ich nicht nur die Verwendung einer gendergerechten Sprache.

Inwieweit tragen Bildungseinrichtungen zu einem Umdenken bei?

Da sind wir bei einer zentralen Aufgabe der Bildungseinrichtungen – und einem superdicken Brett, das es zu bohren gilt. In der Schule hört man häufig, die „Genderfrage“ wäre erledigt. Schließlich haben mehr Mädchen als Buben einen weiterführenden Bildungsabschluss und mehr Frauen als Männer beginnen ein Studium. Aber es wird wenig darüber gesprochen, wie Unterricht gestaltet ist und wie vermieden werden kann, dass Geschlechterstereotype im Unterricht reproduziert werden. In der Lehrer:innen-Ausbildung gibt es das Thema auf dem Papier, aber es ist nicht noch in der Praxis verankert.

Gender- und Diversitätskompetenz sollte in jeder Studienrichtung zu den grundlegenden Kompetenzen gehören, die vermittelt werden. Ob Lehrer:innen, Jurist:innen, Sozialwissenschaftler:innen, Architekt:innen – in allen Berufen sollte ein grundlegendes Wissen über Diversity- und Gender vermittelt werden.

Welche Rolle spielt die Politik aus Ihrer Sicht?

Ich glaube, dass sich nur dann etwas verändern kann, wenn es den Druck gibt, dass sich etwas verändern muss. Es ist bekannt, dass Vorgaben wie z.B. Quotenregelungen Dinge sehr schnell bewegen. An Universitäten,  wo es verbindliche Quoten gibt, ist der Frauenanteil in Leitungsfunktionen rasch auf über 40% gestiegen.

Ich sehe in Österreich leider keine konsistente Gleichstellungspolitik, man denke nur an die Vereinbarkeit von Arbeit und Familie. Wir haben da eine Hü-Hott-Politik, die vor allem Frauen und kaum Männer adressiert. Die Frauen sollen zurück in den Job, aber es gibt nicht ausreichend Kinderbetreuungsplätze. Ebenso haben wir Schwierigkeiten, persönliche Assistenz am Arbeitsplatz oder in der Ausbildung zur Verfügung zu stellen. In vielen Bereichen ist die Entwicklung unendlich langsam.

Wie kann der Diversity-Gedanke erfolgreich in der Arbeitswelt verankert werden?

Die größte Herausforderung für Diversity Management ist es, Reflexionen darüber anzuregen, was die eigentliche Barriere ist: Diese ist nämlich nicht die Tatsache, dass jemand eine gesundheitliche Beeinträchtigung hat – vielmehr liegt das Hindernis in der Struktur. Die Restriktion ist nicht der Krankheitsschub an sich, sondern vielleicht die sich daraus ergebenden Flexibilitätsbedürfnisse des/der Mitarbeiter:in im Betrieb.

Die Aufgabe von Diversity Management ist also, nicht die Rahmenbedingungen an die Bedürfnisse einer Person anzupassen, sondern die Strukturen so umzubauen, dass sie für viele Menschen passen. Das heißt, dass zum Beispiel Flexibilität gegeben sein muss, wann jemand seine/ihre Arbeit macht. Corona hat uns gezeigt: Es gibt viele Möglichkeiten flexibel zu arbeiten.

Hat das virtuelle Arbeiten und die dadurch ermöglichte Flexibilität ausschließlich Vorteile?

An Hochschulen hat Covid19 einen massiven Digitalisierungsschub ausgelöst. Es gibt allerdings keine systematische Reflexion darüber, was sinnvoll war und was nicht bzw. welche Maßnahmen Vor- und Nachteile für welche Gruppen hatten. Es wird zu wenig darüber nachgedacht, was das flexible Arbeiten für die Zugangschancen bestimmter Gruppen heißt und welche Anforderungen damit verbunden sind.

Denken wir an virtuelle Meetings: Studierende oder Arbeitnehmer:innen erhalten die Möglichkeit  Dinge zu kombinieren, wie zum Beispiel die Betreuung des kranken Kindes zu Hause und ein Zoom-Meeting. Das kann ein Vorteil sein, kann aber auch zu einer Belastung werden, wenn beispielsweise Druck auf Mitarbeiter:innen ausgeübt wird, im Homeoffice zu arbeiten anstatt Pflegeurlaub zu nehmen. Ein Vorteil ist allerdings, dass Mitarbeiter:innen bei Nicht-Anwesenheit trotzdem in die Arbeits-Prozesse involviert sind. Aber was heißt es für Personen mit psychischen Erkrankungen? Ist ein virtuelles Meeting in dem Fall ein Vorteil oder eine zusätzliche Belastung? Auch dass sich Menschen im Homeoffice später krankmelden, als wenn sie physisch ins Büro gehen müssen, ist nicht unbedingt von Vorteil für sie. Die Frage ist: Welche Möglichkeiten gibt es, um sich abzugrenzen?

Welchen Beitrag kann die Wissenschaft leisten, damit Gleichstellung in Arbeit, Bildung, Wirtschaft gelebt wird?

Im Zuge des Diversity Managements geht es darum, Betriebe, Institutionen, Schulen inklusiver und damit für ein breites Spektrum von Gruppen zugänglich zu gestalten. Dabei heißt es, die Norm zu reflektieren, von der ausgegangen wird und die den Strukturen zugrunde liegt. Diese Entwicklung kann durch die Wissenschaft bzw. externe Berater:innen gut begleitet werden. Die Frage ist: Welche sind die zentralen Barrieren? Worauf sind diese zurückzuführen? Die ganzheitliche Reflexion darüber, was die konkreten, exkludierenden Mechanismen sind und wie man mit ihnen umgehen kann, sodass sie in der Folge keine Rolle mehr spielen, passiert aus meiner Sicht zu wenig.

Auf einer Skala von 0 bis 10 – auf welchem Level sehen Sie Gleichstellung in heimischen Betrieben derzeit?

Es ist die Frage, aus welcher Perspektive man Gleichstellung betrachtet. Wenn man das Bild einer inklusiven Arbeitswelt vor Augen hat, sind wir noch sehr weit vom Ideal entfernt. Ich meine, wir liegen bei 3 bis 4.

In manchen Bereichen sind wir, was die Vorgaben betrifft, gar nicht so schlecht. Aber es ist immer die Frage, wie diese gelebt werden. Der Gleichbehandlungsgrundsatz wird oft verletzt. Meistens passiert die Ungleichbehandlung aber nicht bewusst, sondern weil keine Reflexion stattfindet. Zum Beispiel heißt es dann, Frauen wird die Führungsposition nicht angeboten, weil man sie nicht zusätzlich stressen will. Da sind Bewusstseinsbildung, Sensibilisierungsmaßnahmen, Trainings und das Vorbild durch die Unternehmensführung notwendig. Es braucht Analyse, konkrete Ziele, Maßnahmen und Monitoring, das zeigt, inwieweit Maßnahmen umgesetzt werden und sich die Dinge verändert haben. Gerade da kann die Wissenschaft wichtige Beiträge leisten. Denn oft hat Diversity Management etwas Aktionistisches und erschöpft sich in gut sichtbaren Public Relations-Maßnahmen.

Vielen Dank für das Gespräch!

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