Künstlerin auf Rädern
Tina Hötzendorfer ist die kreative Powerfrau hinter dem Kunstunternehmen Rollin‘Art. Die lebensfrohe Mama stellte bereits in internationalen Galerien aus, betreibt einen eigenen Shop und ist bekannt für ihre kunterbunten Motive, insbesondere für den Glückselefanten. Um malen zu können, hat sie eine ganz spezielle Technik entwickelt. Denn Tina sitzt im Rollstuhl und kann ihre Finger und andere Gliedmaßen aufgrund einer Querschnittslähmung seit einem schweren Snowboardunfall vor 15 Jahren nicht mehr bewegen. Ein Interview darüber, wie sie mit ihrer Kunst bewegt.
Liebe Tina, du bist vor einiger Zeit Mama geworden. Wir gratulieren herzlich! Wie geht es dir und euch Dreien als kleine Familie?
Vielen Dank! Uns geht es sehr gut, wir könnten nicht glücklicher sein! Unser Sohn ist so ein Sonnenschein und bereichert unser Leben. Durch ihn hat sich eine ganz neue Welt aufgetan.
Wie schön! Auf deiner Webseite und in deinem Store in Tirol leuchten die schönsten Motive von Tassen, Bags und Blumentöpfen. Magst du uns vielleicht erzählen, wie du denn damals auf die Idee gekommen bist, deine eigenen Kunstwerke zu kreieren?
Nach meinem Unfall und der daraus resultierenden Querschnittslähmung musste ich einen neuen Weg und neue Aufgaben für mich finden. Ich entdeckte die Malerei für mich und fand immer mehr Gefallen daran, mich kreativ zu entfalten. Meine Bilder und Zeichnungen wollte ich dann auf Gebrauchsgegenstände bringen und habe mich über die unterschiedlichsten Drucktechniken informiert. Heute bedrucken wir in unserer Manufaktur alles selbst, von Tassen bis Thermosflaschen, T-Shirts bis Glas und Kork. Wir gestalten unsere eigene, kunterbunte Zauberwelt, die Glück und Freude verbreitet.
Worin findest du Inspiration für deine Schmuckstücke?
Mich inspiriert das Leben mit all seinen Facetten. Die Natur, das Reisen.
Was würdest du sagen, hat dir damals geholfen, deinen Unfall zu verkraften? War es vor allem die Kunst, die dich aufbaute?
Die Kunst und die wiedergefundene Aufgabe haben mir bestimmt geholfen, zurück ins Leben zu finden und mit der neuen Situation umgehen zu können. Wieder Ziele vor Augen zu haben, Pläne zu schmieden. Das motiviert und gibt Energie und Zuversicht.
Man merkt, du bist ein sehr optimistischer Mensch mit einer bewundernswerten positiven Einstellung. Du sagst auch, dass du ein ganz anderes Leben führst, seitdem du im Rollstuhl sitzt. Mit mehr Achtsamkeit und Dankbarkeit. Wie hast du vor deinem Unfall gelebt und wie würdest du deine Lebensart jetzt beschreiben?
Die vergangenen Jahre haben mich sehr geprägt. Es gab viele Tiefen, schwierige Zeiten und Herausforderungen zu bewältigen. Umso mehr schätze ich heute das Positive, bin wahnsinnig dankbar für all das Schöne in meinem Leben. Ich lebe heute viel bewusster, weiß, dass auch die kraftraubendsten Momente vorbei gehen und nach jedem Sturm wieder die Sonne zum Vorschein kommt.
Du liebst es zu reisen und bist gerne in fremden Ländern unterwegs. Seit deinem Unfall gestaltet es sich ein wenig anders, weil auf mehr Dinge Acht gegeben werden muss. Wird Menschen mit Rollstühlen oder anderen Mobilitätshilfen aus deiner Sicht genügend Unterstützung beim Reisen geboten?
Unsere Welt ist nicht barrierefrei und leider gibt es noch immer viel zu viel Unwissen und fehlende Sensibilisierung um die Bedürfnisse von Menschen mit Mobilitätshilfen. Das Reisen kann daher mühsam sein. Es erfordert viel Planung, Kommunikation mit Hotels etc. Gerade vor Kurzem war ich in Südtirol im Urlaub, hatte vorab beim Hotel angefragt, ob das Zimmer rollstuhlgerecht sei. Die Enttäuschung war dann groß, als das Zimmer eben wieder nicht rollstuhlgerecht war, ich mich dort weder duschen noch mir die Hände waschen konnte … Leider immer und immer wieder bittere, frustrierende Realität. Da bedarf es noch viel Aufklärungsarbeit.
Allerdings. Du hast vor deiner Querschnittslähmung eine Weltreise gemacht und bist durch Teile Asiens und Australien mit deinem Rucksack getrampt. Welche Länder stehen noch auf deiner Agenda?
Seit der Geburt unseres Sohnes ist das Reisen eher in den Hintergrund gerückt. Vielleicht mieten wir uns im nächsten Sommer ein rollstuhlgerechtes Wohnmobil und erkunden mit unserem Sonnenschein Teile Europas. Aber es gibt noch keine konkreten Pläne. Irgendwann möchten wir auch gerne im Süden überwintern – vermutlich auf den Kanaren.
Wie hast du die Zeit während der ersten Lockdowns der Corona Krise erlebt? Bist du aufgrund deiner bisherigen Lebenserfahrung sozusagen „krisensicherer“?
Mir hat das Corona Virus anfangs schon etwas Angst gemacht, es war eine sehr eigenartige Stimmung. Aufgrund meines hohen Querschnitts gehöre ich zur Risikogruppe und keiner wusste so recht, wie gefährlich eine Ansteckung sein könnte. Dennoch war ich immer gelassen. Das Zuhause-bleiben-müssen, Nicht-ausgehen-können, mit Einschränkungen und Absagen zurechtkommen, hat mir persönlich nicht sehr viel ausgemacht. Das ist für mich Alltag, damit muss ich seit Jahren leben und kann gut damit umgehen. Ich würde schon sagen, dass mich mein bisheriges Leben Gelassenheit gelehrt hat und ich dadurch „krisensicherer“ bin.
Du hast deine Kunstwerke bereits in Galerien in New York, Paris und London ausgestellt. Das ist beeindruckend und gewiss auch eine große Inspiration für andere KünstlerInnen! Hast du Lust, nochmals in diese Richtung etwas zu machen? Reizt dich die internationale Kunstbranche?
Die internationalen Ausstellungen und die Reisen dorthin waren großartig und unglaublicher Ansporn. Heute konzentriere ich mich mehr auf die Produktentwicklung und den Ausbau unseres Sortiments. Wir haben unsere Manufaktur vergrößert, unser Rollin’Art Online Shop funktioniert super und wir versenden europaweit. Wenn ich zukünftig mehr Zeit habe, möchte ich auch wieder mehr Acrylbilder malen und vielleicht ergibt sich dann auch die ein oder andere Ausstellung. Mal sehen, wo die Reise hingeht.
Du führst einen eigenen Shop, entwirfst laufend neue Designs, hältst Kurse über Lebensmut und ziehst daneben mit deinem Verlobten euer einjähriges Kind groß…? Bitte sag uns, wie bringst du das alles unter einen Hut?
Der Hut muss groß sein 😉 Ganz ehrlich gesagt, es ist schon sehr herausfordernd. Ich gerate aktuell oft an meine Grenzen – vor allem körperlich. Es steckt aber in allem, was ich mache, so viel Herz und Begeisterung drin, ich möchte bei nichts Abstriche machen. Es bedarf guter Einteilung, viel Unterstützung und ich nehme mir bewusst Auszeiten. Auch bin ich dabei, Aufgaben und Kompetenzen an meine Mitarbeiter*innen abzugeben, um mich künftig auf meine Kernkompetenzen konzentrieren zu können. Priorität hat immer die Zeit mit unserem Sohn. An der Zeit für mich selbst muss ich definitiv arbeiten.
Dafür wünschen wir dir nur das Beste! Danke für das Gespräch!