Packen wir‘s an! Aber wie?
„Diversität und Inklusion“ in meinem Unternehmen – wie gehe ich die Umsetzung an und was bringt sie?
Das übergeordnete Ziel eines Diversity-Konzeptes ist es, eine vorhandene Monokultur aufzubrechen und Fairness, Transparenz sowie den gleichen beruflichen Zugang für alle zu ermöglichen. Dies nutzt allen, aber es ist die Frage, in welchem Bereich beginne ich mit diesem Vorhaben? Was sind die dringlichsten Facetten generell und auch im jeweiligen Unternehmen? Denken wir an klassische Männer- und Frauenbranchen – da ist die Abrisskante vom Berufseinstieg zur Führungsebene krasser als in anderen Branchen. Hier hilft es, den Blickwinkel zu ändern und sich zu fragen: Wie kann ich eine Frauenbranche besser durchmischen und umgekehrt. Das gilt auch für Unternehmen, in dem Junge dominieren.
Ob man ein Diversity-Konzept erfolgreich umsetzt, merkt man daran, dass Monokulturen aufgebrochen werden und die Kultur für alle offener wird – Mitarbeiter:innen können sich in einem solchen Umfeld leichter outen.
Gibt es aus Ihrer Sicht Branchen, in denen Diversity mehr Möglichkeiten mit sich bringt als in anderen?
Im Moment sind flächendeckend alle Branchen mit der schwierigen Arbeitsmarksituation konfrontiert. Branchen, in denen das Ungleichgewicht immer schon ausgeprägt war, sind MINT- und IT Berufe. Da gibt es viele Möglichkeiten, indem man intern Frauen vor den Vorhang holt und so sichtbar macht, dass man ein offenes Unternehmen ist.
Durch Corona beeinflusst sind Bereiche in Gastronomie und Tourismus, in denen man sieht, dass Internationalität gut funktioniert – dabei ist nur die Frage, was versteht man unter Internationalität, ist es der/die typische Berufspendler:in aus dem Nachbarland, wie es ihn/sie immer schon gegeben hat. Auffällig ist branchenübergreifend, dass es für große internationale Konzerne leichter ist Diversität zu leben als für kleine national verankerte Unternehmen, denn mit der Internationalität steigt die Offenheit. Andererseits ist der Druck in KmUs größer und es werden hier häufiger Maßnahmen gesetzt. Da stellt sich dann die Frage: Wo fange ich an, mit welcher Facette kann ich beginnen, wo finde ich die Person, die sich behauptet und dafür sorgt, dass etwas in Bewegung kommt?
Inwiefern kann Diversity in der Wirtschaft einen Beitrag dazu leisten, dass sich genderspezifische Rollenbilder unserer Gesellschaft verändern?
Junge Frauen, die sich für eine Berufsausbildung im MINT-Bereich entscheiden, werden in der Regel von Familie und Rollenbildern, Freund:innen, Lehrer:innen beeinflusst. Das heißt aber auch: Wenn es der Gesellschaft gelingt, möglichst viele Frauen in Arbeitsprozesse zu integrieren, hat es den Effekt, dass sich die Rollenbilder ändern.
Das Problem ist, dass diese tief verankert sind: Das Geschlecht ist sogar das einzige Merkmal, das bereits eine Rolle spielt, bevor wir überhaupt auf der Welt sind. Frauen, die ein Kind erwarten, sind häufig mit der Frage konfrontiert: „Was wird es denn?“ Im Lauf des Lebens eines Kindes kommen dann gleich einmal geschlechtstypische Farben und Spiele aufs Tapet, womit sich Rollenbilder weiter etablieren.
Wichtig ist, dass Eltern und Erziehungseinrichtungen gegen diese Stereotypen arbeiten. Für den MINT-Bereich gilt zusätzlich, dass Frauen früh mit IT-Bereichen in Berührung kommen, so z.B. auf Töchtertagen. Auffallend ist, dass bei Berufsorientierungstagen Unternehmen vor allem Männer in die Schulen schicken. Damit dienen diese wieder als Vorbilder. Da sind auch Veranstalter aufgerufen, Frauen als Vortragende einzuladen.
In einer aktuellen Deloitte-Studie zum Thema „Nachhaltigkeit und Gleichstellung“ geht es vor allem um die Gleichstellung von Frauen. Was haben Nachhaltigkeit und Gleichstellung miteinander zu tun?
Die beiden Bereiche haben sehr viel miteinander zu tun, es gibt ja die ökologische, soziale und ökonomische Nachhaltigkeit. Wir verbinden mit dem Begriff üblicherweise v.a. den ökologischen Aspekt, aber er umfasst mehr – nämlich auch, dass die Grundbedürfnisse des Menschen gestillt sind.
Was umfasst also ökonomisch bzw. sozial nachhaltiges Handeln? Zum einen ist Arbeit identitätsstiftend und zum anderen hat der Arbeitgeber Einfluss auf den Lebensstandard der Arbeitnehmer:innen und deren Angehörigen. Ich habe also mit meinem unternehmerischen Handeln einen Impact auf die soziale Ausgangssituation meiner Mitarbeiter:innen. Ich muss Arbeitsbedingungen schaffen, in denen sich die Mitarbeiter:innen entfalten können, d.h. Chancen auf Weiterentwicklung und -bildung sowie Lernen durch Arbeit. Dadurch sorge ich langfristig für den Wohlstand eines Menschen. Das alles hat sehr viel mit Nachhaltigkeit zu tun.
Gemäß des 3-Säulen-Modells der Nachhaltigkeit gehören die sozialen Aspekte auch dazu – aber nur 50 % der Befragten stellen diese Verbindung her. Ganzheitliches Denken macht in dieser Hinsicht Sinn und bietet die Chance, dem Thema Diversity neuen Wind zu geben. Es zielt auf die ökonomische Nachhaltigkeit ab, wenn ich durch wachsende Kreativität, sinkendes Risiko etc. aktiv einen Beitrag leiste.
Was sind die vorrangigsten Hürden für Frauen?
Bei der Beschreibung der Wirkungskette beginne ich mit der Ausbildungs- und Berufswahl. Die Geschlechtersegregation tut sich bereits in der Ausbildung auf. Sieht man die Universitäten an, so gehen Frauen z.B. auf der Wirtschaftsuni bei ihrer Spezialisierung in Richtung Marketing und Personal, Männer in Finanzierung oder Unternehmensführung. Bei Lehrberufen wählen Frauen aus einigen drei, vier wenigen, Burschen aus einem viel größeren Portfolio. Die Ausbildung beeinflusst die Berufsauswahl. Das führt dazu, dass es Frauen- und Männerberufe gibt, so etwa Handel oder Pflege versus metallverarbeitende Industrie.
Früher oder später stellt sich die Kinderfrage. In den neun Monaten der Schwangerschaft und danach ist die Gehaltsschere in den Familien schon aufgegangen. Denn der Homo oeconomicus in uns entscheidet sich dafür, dass derjenige arbeitet, der mehr verdient.
Frauen laufen daher Gefahr, in der Teilzeitfalle zu landen. Das führt zu wirtschaftlicher Abhängigkeit und Altersarmut.
Es handelt sich um einen komplexen Kreislauf, nahezu 50 % der Frauen sind erwerbstätig, darunter fast 50% in Teilzeit. Dem stehen 11% Männer in Bildungs- oder Altersteilzeit gegenüber. Aber es ist etwas anderes, ob ich in Teilzeit gehe, um mich weiterzubilden oder um die Familie zu versorgen. Es gehört auch zur sozialen Nachhaltigkeit, dass man darauf achtet, ob die soziale Belastung ausgewogen ist.
Ein Unternehmen kann vermitteln, dass Kinderbetreuung eine Familienaufgabe ist. Menschen denken oft kurzfristig. Für einen jungen Menschen ist die Altersvorsorge das Letzte, woran er denkt, wenn das Kind da ist. In dieser Hinsicht ist es wichtig, dass die Unternehmen und die Politik Aufklärung betreiben.
Ist der Stein mittlerweile schon ins Rollen gekommen?
Bei der horizontalen Segregation gibt es nach wie vor ein Wertegefälle zwischen den Berufen, bei der vertikalen Segregation die gläserne Decke. In den Top 200-Unternehmen sind 9 % Frauen in der Geschäftsführung, das heißt nicht einmal 1 von 10. Hier kommt die Macht der kleinen Zahlen zum Tragen – wenn sich da auch nur eine Person verändert, hat es gleich eine große Auswirkung. Die gute Nachricht ist, auf den Ebenen des mittleren Managements tut sich mehr. Der AK-Frauenreport hat vor kurzem 17 % ausgewiesen, inzwischen ist der Frauenanteil auf über 30 % gestiegen.
Mit der Pensionierungswelle wird Platz für Frauen – es tut sich ein „Window of Opportunity“ auf. Die Frage ist nur, ob es der Wirtschaft und Politik auch gelingt dieses zu nutzen? Ich bin eine große Befürworterin von Quoten, weil sie Initialzünder sind. Ein weiterer Aspekt: Welche Rolle spielen Rahmenbedingungen wie Kinderbetreuung – da ist die Politik gefragt.
Warum ist Diversity Management gerade jetzt ein Thema? Welche Rolle hat die Covid-Krise für die Entwicklung des Diversity-Gedankens gespielt?
Zum einen ist die demographische Entwicklung am Arbeitsmarkt entscheidend. Wir haben in ganz Europa einen Arbeitskräftemangel, sodass sich die Frage stellt: Wie kann ich das vorhandene Potenzial heben und erreichen, dass die Menschen mehr arbeiten – auch die Frauen. Zum anderen stellt sich die Mengenfrage: In dieser Hinsicht spielen Zuzug und Migration eine Rolle.
Covid hat vorhandene Ungleichheiten verschärft, und gezeigt: Homeoffice kann nicht mit Vereinbarkeit von Beruf und Familie gleichgesetzt werden. Sobald die Lockdowns vorbei waren, waren Frauen als erstes zurück an ihren Arbeitsplätzen.
Andererseits haben sich tolle Dinge, wie das virtuelle Arbeiten, etabliert. Z.B., für Menschen mit körperlichen Behinderungen, ermöglicht es Barrierefreiheit im Job. Covid war auf vielen Ebenen Beschleuniger – aber man hat auch erkannt, dass sich das virtuelle Arbeiten nicht von selbst managt.
Vielen das für das Gespräch!
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