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Diversity für Mitarbeiter:innen

Role Model für Inklusion: Tina Pesendorfer

Tina Pesendorfer, österreichische Staatsmeisterin im Rollstuhltennis, über die inklusive Wirkung des Sports, wie ihr Hobby zum Beruf wurde, über das Leben im Rolli und warum zu wenig Distanz zu Menschen im Rollstuhl ebenso schwierig sein kann wie zu viel.
Text: Marion Breiter O’Donovan
Foto Tina Pesendorfer
© Michael Dürr
Tina Pesendorfer ist im regen Austausch mit ihrer Social Media-Community und wurde so zum Role Model für Inklusion

Role Model für Inklusion: Tina Pesendorfer, österreichische Staatsmeisterin im Rollstuhltennis, bereitet sich aktuell auf die Paralympics 2028 vor. Im Interview spricht die gebürtige Bad Ischlerin über die inklusive Wirkung des Sports, Sichtbarkeit und die Unsicherheit im Umgang mit Rollstuhlfahrer:innen.

Tina, du bist österreichische Staatsmeisterin im Rollstuhltennis. Wie bist du zu dem Sport gekommen?

Im Jahr 2015 habe ich zum allerersten Mal einen Tennisschläger in die Hand genommen und das auch nur, weil es nach meinem Unfall (Anm. Tina ist seit ihrem Freizeitunfall 2007 querschnittsgelähmt und im Rollstuhl) wichtig war, Bewegung zu machen. Bei meiner Entscheidung für eine Sportart bin ich nach dem Ausschlussverfahren vorgegangen: Schwimmen war mir zu nass, Schifahren zu kalt, Basketball zu wild. Ich habe also Rollstuhltennis beim Salzburger Rollstuhltennisverein ausprobiert. So hat alles als Hobby angefangen …

Wann war es dann so weit, dass du gesagt hast – jetzt ist Tennis kein Hobby mehr, sondern mein Beruf?

Zu meinem Beruf wurde Rollstuhltennis im Jahr 2020. Ich hatte davor schon im Kopf, wie toll es wäre, an großen Turnieren teilzunehmen, an den Paralympics … Aber ich hätte nie gedacht, wie viel man im Profisport tun muss. (lacht) Ich habe in der Anfangszeit parallel Lehramt studiert, aber irgendwann bin ich an den Punkt gekommen, dass nicht mehr beides zugleich möglich war. Da habe ich gedacht, Lehrerin kann ich später auch noch werden und habe mich für den Sport entschieden. Und ich habe es seither nie bereut.

Du wirkst nach außen, sei es auf Instagram oder auch jetzt im Gespräch, sehr strahlend. Welche Rolle spielt der Sport für dich, was begeistert dich daran?

Ich schätze am Rollstuhltennis, dass man miteinander spielen kann – mit Rollstuhlfahrer:innen, aber auch mit Fußgänger:innen, mit Kindern, einfach mit allen Menschen. Dieses Inklusive gefällt mir sehr. Auch, dass ich mich selbst challengen kann. Am Anfang habe ich Matches nicht so gern gespielt, aber inzwischen will ich nach dem harten Training zeigen, was ich kann. Ich will gewinnen!

Welche Bedeutung hat Sport, speziell der Rollstuhltennissport, aus deiner Sicht für die Inklusion?

Er zeigt, dass Menschen mit und ohne Rollstuhl Dinge gemeinsam machen können. Das ist möglich, weil Rollstuhl- und Fußgängertennis einander ähneln. Bei den Grand Slams im Rollstuhltennis gibt es ebenfalls hohe Preisgelder zu gewinnen, das ist cool und wichtig für die Wirkung nach außen. Denn es zeigt, dass die Spieler:innen genauso Athlet:innen sind wie im Fußgängertennis. Sie trainieren genauso, sie haben genauso ihre Matches und es geht genauso die Post ab. Das hat eine große Vorbildwirkung, denn die Menschen sehen, wie selbstständig Rollstuhlfahrer:innen im Sport sein können.

Was können sich Teams in Unternehmen vom Sport abschauen, wenn es um das „Miteinander“ geht?

Auf jeden Fall Zusammenhalt und Teamgeist. Auch dass man bei der Besetzung von Rollen und Funktionen innerhalb des Teams auf Individualität schauen soll. Nicht alle Menschen sind gleich, wichtig ist daher, dass alle in der passenden Position sind, um ihr Bestes geben zu können. Denken wir an den Fußball: Wenn jemand gut angreift, wird man ihn als Stürmer einsetzen und nicht ins Tor stellen. Teams funktionieren nur dann gut, wenn alle miteinander das Optimum schaffen.

Dein Rat an alle, die plötzlich mit der Realität eines Lebens im Rollstuhl konfrontiert sind?

Es wird besser. Am Anfang ist es sehr schwierig, da gibt es nichts zu beschönigen. Die ersten Jahre waren echt hart für mich. Es braucht seine Zeit, bis man sich neu orientieren kann. Wie lange das dauert, kommt natürlich auch darauf an, welche Art von Unfall und welche Verletzungen man hatte. Man muss durchhalten und darf nicht glauben, alles sei vorbei. Heutzutage kann man mit verschiedenen Hilfsmitteln und mehr oder weniger vorhandener Barrierefreiheit ein gutes Leben haben und so an fast allem teilhaben.

Und dein Rat an alle, die nicht wissen, wie sie mit Menschen im Rollstuhl umgehen sollen?

Wenn eine Person „nur“ im Rollstuhl sitzt, sollte man mit ihr genauso sprechen wie mit Menschen, die nicht im Rollstuhl sind. Denn das Hirn arbeitet „normal“. Man kann mit mir alles besprechen! Manche Menschen haben zu viel Distanz – und andere haben keine Distanz. Sie fragen gleich, was ist dir denn passiert. Das meinen sie nicht böse, aber ich sage ja auch nicht: Erzähle mir dein schlimmstes traumatisches Erlebnis. Das ist für Small Talk einfach keine angemessene Frage.

Man darf ruhig fragen: Brauchst du Hilfe. Das ist nett und freundlich – es genügt aber einmal. Wenn jemand „nein, danke“ sagt, dann sollte man nicht hundertmal nachfragen, ob man wirklich keine Hilfe möchte. Ich werde es schon sagen, wenn ich etwas nicht kann. Und wenn ich „nein“ sage, muss man mir nicht trotzdem „helfen“. Wenn ich zum Beispiel den Rolli ins Auto einlade, greifen viele Menschen zu, auch wenn ich die angebotene Unterstützung dankend abgelehnt habe. Damit ist mir aber nicht geholfen, weil ich beim Verladen routiniert bin – mit „Hilfe“ dauert es dann länger.

Auch das Anschieben-Wollen empfinde ich als sehr übergriffig. Ich habe inzwischen einen Rolli ohne Griffe an der Rückenlehne, denn die Rolli-Griffe haben wie Magnete gewirkt. Die Menschen haben diese einfach genommen und mich angeschoben, auch wenn ich das nicht wollte.

Du bist sehr aktiv auf Social Media, deine Follower:innen erleben mit, wie du ein unabhängiges Leben führst. Siehst du dich in dieser Hinsicht als Role Model für Inklusion?

Mittlerweile schon. Ich habe Social Media nicht aus diesem Grund gestartet, aber inzwischen habe ich eine große Rollstuhl-Community. Es ist auch schön sich auszutauschen und zu merken, dass man mit seinen Problemen nicht allein ist. Wenn zum Beispiel jemand unberechtigt auf dem Behindertenparkplatz steht, kann man seinem Ärger Luft machen und wird von den anderen verstanden. Ich denke es ist für meine Follower:innen auch gut, wenn ich solche Erlebnisse teile, weil wir alle dann nicht allein mit diesen Problemen sind. Und Leute, die keine Erfahrungen im Umgang mit Menschen im Rolli haben, können auf meinen Social Media-Kanälen etwas über das Leben im Rollstuhl lernen. Ich möchte die Welt ein bisschen offener machen.

Was wünscht du dir hinsichtlich Diversity & Inklusion von der Gesellschaft?

Ich bin ein großer Fan der USA hinsichtlich der Barrierefreiheit. Diese ist generell top. In Amerika stehen überall Rollstuhl-Toiletten zur Verfügung. Bei Platzmangel gibt es eben nur diese – und nicht die üblichen Mann-/Frau-Toiletten. Es gibt auch immer Rampen für Rollis und wenn das Hindernis nur ein, zwei kleine Stufen sind. Auch die Sichtbarkeit von Menschen im Rollstuhl ist eine andere. In fast jedem Film, jeder Serie siehst du Rollstuhlfahrer:innen, die stilistisch ganz normal eingebunden werden.

Was sind deine sportlichen bzw. persönlichen Ziele?

Ich möchte 2028 bei den Paralympics in Los Angeles dabei sein. Schon die Teilnahme ist eine große Herausforderung, da es im Rollstuhltennis keine Klassen gibt wie z.B. bei den Schwimmern. Das heißt, ich trete nicht nur gegen Menschen mit Querschnittslähmung an, sondern gegen alle Menschen, die nicht gut gehen können. Das macht in vielen Hinsichten, vor allem auch muskulär, einen großen Unterschied. Das ist zwar unfair, aber das ist im Sport und auch im Leben oft so, davon lasse ich mich nicht aufhalten. Privat wünsche ich es mir eine Familie zu gründen.

 

Zur Person: Christina Pesendorfer, Role Model für Inklusion

  • Geburtsdatum: 01.05.1989
  • Wohnort: Salzburg, ursprünglich Bad Ischl
  • Querschnitt seit: 2007
  • Tennis begonnen: 2015
  • Ausbildungen: Dipl. Neuromentaltrainerin, Zert. Sport-Neuromentaltrainerin
  • Tennis: Nr. 1 in Österreich, Nr. 33 weltweit, im Österreichischen Nationalkader, Salzburger Olympiakader, Athletin im Olympiazentrum Salzburg-Rif

Folgt Tina auf Instagram

 

 

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