Gender-Bias in Kinderbüchern mit KI entdecken
Ziel des vom Wissenschaftsfonds FWF geförderten Projektes ist es, das Bewusstsein für hartnäckige Klischees von „starken Helden“ und „zarten Prinzessinnen“ zu schärfen. Von Geschichten werden junge Menschen geprägt. Geschlechterstereotype bilden sich nachweislich schon früh in der Kindheit heraus. Das wirkt sich auf die emotionale und kognitive Entwicklung von Kindern und Jugendlichen aus. Es manifestiert sich sogar in schulischer Leistung und Berufswahl.
Kinderliteratur als Spiegel der Gesellschaft
Bis heute spiegeln Kinderbücher bevorzugt gesellschaftliche Normen und Genderstereotype wider. Das belegen Untersuchungen, unter anderem eine Studie aus 2021, die Kinderbücher aus den Jahren 1960 bis 2020 mit Fokus auf Geschlechterrollen analysierte. Männliche Protagonisten sind noch immer in der Überzahl, lautete ein zentrales Ergebnis.
Um mehr Sensibilität für eine Schieflage zu schaffen, die sich früh verfestigt, haben sich die Statistikerinnen Camilla Damian und Laura Vana-Gür ein Modell überlegt. Mithilfe von künstlicher Intelligenz soll Kinderliteratur auf Gender-Bias gescannt werden. Auf Grundlage von eigens definierten und vielzähligen geschlechtsbezogenen Aspekten, sollten die Computer lernen, Texte zu analysieren, um daraus für jedes Buch einen Gender-Score zu generieren.
„Ein Nachteil von aktuellen Algorithmen zur Sprachverarbeitung ist, dass sie Vorurteile mitübernehmen“, erklärt Vana-Gür. Um also die Analyse selbst von Anfang an vor Gender-Bias zu schützen, haben die Forschenden ein aufwendiges manuelles Feintuning durchgeführt, mit dem die Algorithmen trainiert wurden.
Typisch männlich – typisch weiblich
Ausgewertet werden beispielsweise die Berufe der Figuren, ob sie anhand ihres Aussehens oder vielmehr ihrer Intelligenz dargestellt wurden. Auch weitere Eigenschaften wie Freundlichkeit und Aggressivität, die typischerweise weiblichen bzw. männlichen Charakteren vorbehalten sind, seien ebenfalls relevant für die Analyse, sagt Vana-Gür.
Angewendet wurde es an rund 30 Kinderbüchern aus dem Gutenberg-Projekt. Hier sind vor allem klassische Werke, wie „Alice im Wunderland“, „Cinderella“, „Aladin und die Wunderlampe“ oder „Hänsel und Gretel“, erfasst. Diese Werke unterliegen nicht mehr dem Urheberrecht und waren für die Wissenschaftler:innen frei zugänglich.
Um das neue Werkzeug weiter zu etablieren, braucht es noch mehr Training und zusätzliche Datenbanken für Kinderliteratur, an denen getestet werden kann. Man stehe also gerade am Anfang, betont die Forscherin. „Uns ist es wichtig, eine interpretierbare Gesamtbewertung zu erhalten, um etwa Verleger:innen, Pädagog:innen oder auch Eltern fundierte Entscheidungen zu ermöglichen“, sagt Gür.